US Präsident
Peinlicher Versprecher mit Putin und Selenskyj: Biden patzt schon wieder
Stand 12.07.24 - 12:07 Uhr
Jede Silbe, jede Regung des US-Präsidenten wird derzeit seziert. Und genau bei einer wichtigen Bewährungsprobe auf internationaler Bühne macht Biden wieder peinliche Fehler.
©Jacquelyn Martin/AP
Wie viel kann sich Biden noch leisten?
Washington (dpa) – Joe Biden passiert der schlimmstmögliche Versprecher. Es ist der letzte große Programmpunkt des US-Präsidenten mit seinen ausländischen Kollegen beim Nato-Gipfel in Washington: ein gemeinsamer Auftritt mit ihnen und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Mithilfe eines Teleprompters hat Biden gerade eine kurze Ansprache erfolgreich über die Bühne gebracht und will nur noch Selenskyj das Pult überlassen, da sagt der 81-Jährige diesen Satz: «Nun übergebe ich das Wort an den Präsidenten der Ukraine, der ebenso viel Mut wie Entschlossenheit besitzt. Meine Damen und Herren: Präsident Putin.» Ausgerechnet.
- Anzeige -Schräg hinter Biden stehen aufgereiht Staats- und Regierungschefs anderer Nato-Staaten. Bundeskanzler Olaf Scholz schaut perplex, EU-Ratspräsident Charles Michel schielt ungläubig zur Seite. Andere klatschen verkrampft. Noch während sich der US-Präsident vom Rednerpult wegdreht, bemerkt er den Fehler, korrigiert sich und versucht es mit dem Scherz, er sei einfach so sehr darauf konzentriert, Putin zu besiegen. Dazu lächelt er schief. Selenskyj, der neben ihm auf der Bühne steht, kontert gnädig und in Anspielung auf Putin: «Ich bin besser.» Die peinliche Verwechslung ist allerdings nur der Vorgeschmack auf eine Pressekonferenz Bidens, die kurz darauf folgt und nachhallen dürfte.
Nervöse Kabinettsmitglieder im Publikum
Es ist die erste Solo-Pressekonferenz des mächtigsten Mannes der Welt seit langem. Und der Demokrat, der seit seinem Wahlkampfdesaster im TV-Duell gegen Donald Trump verzweifelt darum kämpft, seine Präsidentschaftskandidatur zu retten, soll sich hier beweisen. In der ersten Reihe sitzen nebeneinander Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan. Die Anspannung ist ihnen anzusehen.
Sein Auftaktstatement liest Biden wie bei den allermeisten seiner Auftritte, von Telepromptern ab, mal links, mal rechts, weitgehend unfallfrei. Er räuspert sich viel – auch das ist bei ihm nicht ungewöhnlich – und stolpert nur ab und zu über ein paar Buchstaben. Doch gleich bei der ersten Frage passiert ihm ein Patzer, der in der Rangliste der Versprecher direkt hinter Selenskyj-Putin kommt: Er verwechselt den Namen seiner Stellvertreterin Kamala Harris mit dem seines republikanischen Herausforderers und Erzrivalen Donald Trump. Ausgerechnet.
Ein Journalist fragt Biden, was er über die Chancen von Harris denkt, Trump bei der Präsidentenwahl zu schlagen, falls er selbst ausfallen sollte und sie für die Demokraten ins Rennen ginge. Biden antwortet: «Sehen Sie, ich hätte Vizepräsident Trump nicht als Vizepräsidentin gewählt, wenn ich nicht denken würde, dass sie für das Amt des Präsidenten qualifiziert ist.»
In der ersten Reihe zuckt Blinken in diesem Moment fast unmerklich zusammen und senkt um wenige Millimeter den Blick. Nachdem er vor Monaten eine Aufreger-Äußerung seines Chefs bei einer Pressekonferenz in Reihe eins mit einem schmerzverzerrten Gesicht und krampfartigen Bewegungen verfolgt hatte, ringt der Chefdiplomat diesmal besonders intensiv um Fassung. Zwei Plätze links von ihm hebt Sullivan nach dem Biden-Satz eine Hand vors Gesicht und reibt sich das Kinn. Zwischen den beiden hört Austin ohne Regung zu.
Dieser Fehler Bidens erinnert an einen Patzer des Präsidenten vor wenigen Tagen, als er in einem Radiointerview sagte: «Ich bin stolz darauf (…), die erste Vizepräsidentin zu sein, die erste schwarze Frau, die mit einem schwarzen Präsidenten zusammenarbeitet.» Auch das ließ viele ratlos zurück.
- Anzeige -«Die am besten qualifizierte Person für den Job»
Die nächsten Fragen bei Bidens Presseauftritt fallen ähnlich brutal aus: Ein Journalist will von Biden wissen, ob seine ständigen Fauxpas, auch auf der Weltbühne wie beim Nato-Gipfel, nicht allmählich dem Ansehen der Vereinigten Staaten schaden. Mehrere Regierungschefs wurden dort vor Kameras auf den Zustand ihres US-Kollegen angesprochen und mussten für ihn in die Bresche springen (Scholz: «Versprecher passieren»).
Eine andere Reporterin fragt den US-Präsidenten, ob er nicht Angst um sein politisches Vermächtnis habe, wenn er unbeirrt von der Debatte um seine geistige Fitness weitermache. Doch Biden gibt sich trotzig. Es gehe ihm nicht um sein Vermächtnis. «Ich möchte die Arbeit, die ich begonnen habe, zu Ende bringen», sagt er. Und: «Ich glaube, ich bin die am besten qualifizierte Person für den Job.»
Biden rattert politische Errungenschaften seiner Amtszeit herunter und schiebt nach, es gebe noch so viel zu tun. «Ich muss diesen Job zu Ende bringen, denn es steht so viel auf dem Spiel.» Er warnt vor Trump und macht immer wieder deutlich, dass er nicht vorhat, beiseitezutreten. Nur wenn er langsamer würde und seine Arbeit nicht erledigen könne, dann wäre dies ein Zeichen dafür, dass er aufhören sollte, argumentiert er. «Aber dafür gibt es bisher keine Anzeichen – keine.»
Flüsterton und Faust
Mehrere Male lehnt er sich etwas ungelenk nach vorn über das Pult und flüstert mit aufgerissenen Augen Sätze ins Mikro – wohl um sie wirkungsvoller zu machen. Zwischendurch ballt Biden mehrfach die Faust, um Stärke zu demonstrieren – wie öfter auch in den vergangenen Tagen beim Nato-Gipfel, als er immer wieder auf die Rückzugsforderungen seiner Parteikollegen angesprochen wurde und die Faust als Antwort lieferte.
Doch ein ums andere Mal patzt Biden bei der Pressekonferenz, gerät ins Stocken, bringt Sätze nicht zu Ende, verwechselt mal Zahlen oder Länder (Nordkorea und Südkorea). Und immer, wenn er nicht er weiterweiß, sagt er «wie dem auch sei». Die Wendung ist oft zu hören in dieser knapp einstündigen Pressekonferenz.
Die Performance dürfte viele parteiinterne Kritiker Bidens nicht überzeugen. Unmittelbar nach dem Auftritt fordert ein weiterer Demokrat aus dem Kongress den Präsidenten auf, sich aus dem Wahlkampf zurückzuziehen. Fast zwei Dutzend haben sich schon öffentlich vorgewagt. Jeden Tag kommen neue hinzu. Und weit mehr Demokraten haben öffentlich große Sorgen über ihren Spitzenmann kundgetan: Sie werden mehr, sie werden lauter – und sie werden ungeduldiger.
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