Stiller Feiertag
Karfreitags-Verbote: Respektvoll oder aus der Zeit gefallen?
Stand 02.04.24 - 10:05 Uhr
Weniger als die Hälfte der Deutschen ist christlich. Dennoch gelten an Karfreitag weiterhin Verbote - je nach Bundesland unterschiedlich streng. Das gefällt nicht allen. Wie sehen die Regeln aus?

©Jonas Walzberg/dpa
Ist das Tanzverbot noch zeitgemäß?
Berlin (dpa) – Der Karfreitag ist ein umstrittener Feiertag in Deutschland. Für viele ist er einer der wichtigsten Gedenktage des Jahres, an dem des Leidens und Sterbens von Jesus am Kreuz gedacht wird. Für andere ist es ein Tag nicht mehr zeitgemäßer Verbote – immerhin ist nicht mal die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands christlich.
- Anzeige -Sonn- und Feiertage sind in Deutschland als «Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung» durch das Grundgesetz geschützt. Daher bleiben beispielsweise Geschäfte geschlossen. Eine besondere Variante sind die sogenannten stillen Feiertage wie der Karfreitag, für die es meist strenge Vorschriften gibt. Was genau an Karfreitag gilt, definieren die Gesetze der jeweiligen Bundesländer – und die sind sehr verschieden.
Flickenteppich Bundesländer
In Bayern beispielsweise sind Sportveranstaltungen sowie «musikalische Darbietungen jeder Art in Räumen mit Schankbetrieb» verboten, teilte das Landesinnenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen seien nur dann erlaubt, «wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist». Auch anderweitig dürfe die Feiertagsruhe nicht gestört werden, insbesondere in der Nähe von Kirchen. In vielen Bundesländern ist das ähnlich. In den Details unterscheiden sie sich aber oft deutlich.
Ein Regelbruch beispielsweise kann in Bayern eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro einbringen. In Berlin werden Verstöße mit maximal 1000 Euro Strafe geahndet, in den meisten Fällen ist es jedoch deutlich weniger.
Große Unterschiede gibt es auch beim Tanzverbot. In Bayern gilt ein solches schon von Gründonnerstag bis hin zu Karsamstag durchgängig. In Berlin wird das lockerer gehandhabt: Das Tanzverbot gilt nur von 4 Uhr morgens bis 21 Uhr an Karfreitag, wie die Innensenatsverwaltung mitteilte.
Auch in Hamburg gibt es ein weniger strenges Tanzverbot, dieses Jahr wird es sogar noch weiter gelockert. Während vergangenes Jahr noch ein 24-stündiges Tanzverbot von 2 Uhr morgens an Karfreitag bis zur gleichen Zeit am Samstag galt, gilt es in diesem Jahr erst von 5 Uhr am Karfreitag bis Mitternacht – also fünf Stunden kürzer, wie die Senatskanzlei mitteilte. Ein Diskobesuch wird somit an beiden Tagen enorm erleichtert.
Demo gegen das Tanzverbot
In München wird gegen das Tanzverbot demonstriert, am Donnerstag (26. März) ab 16 Uhr auf der Theresienwiese. Dabei geht es den Veranstaltern nicht nur um das Verbot per se, sondern um die Rolle der Kirche und Religionsfreiheit in Deutschland. Unter anderem mehrere Clubs, Kollektive und der Bund für Geistesfreiheit München laden zu der Demo ein.
Tanzverbote treffen viele Diskotheken
Tanzverbote treffen dennoch grundsätzlich viele Clubs. Der Bundesverband deutscher Discotheken (BDT) ist prinzipiell gegen Tanzverbote: «Ein Tanzverbot greift in die unternehmerische Freiheit der Diskothekenbranche ein und zwingt sie, den Betrieb einzuschränken oder ganz niederzulegen, obwohl die Nachfrage besteht», teilte der Verband der dpa mit. «Der BDT und die Club- und Diskothekenbranche positionieren sich ganz klar gegen ein Tanzverbot an Karfreitag.»
Es sei zudem nicht fair, dass es keine bundesweit einheitlichen Regelungen gebe: «Es darf nicht sein, dass manche Betriebe durch das Tanzverbot massive Umsatzeinbußen verzeichnen müssen und andere davon profitieren.» Auch die Berliner Clubcomission ordnet Tanzverbote als «unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit als Kultureinrichtungen» ein.
Die Durchsetzung des Tanzverbotes werde durch stichprobenartige Kontrollen durch die Ordnungsämter durchgeführt, berichtet der BDT. Private Feiern fallen nicht grundsätzlich unter das Verbot, können aber je nach Lautstärke – und je nach Bundeslandesregelung – letztlich auch als Verstoß gegen die Feiertagsregeln gelten, wie aus den Ländergesetzen hervorgeht.
- Anzeige -Kinofilme
An stillen Feiertagen dürfen zudem im Kino bestimmte Filme nicht gezeigt werden. Für Fernsehen und Streamingdienste bestehen hingegen keine Beschränkungen, wie die Organisation Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) mitteilt. Die FSK entscheidet, welcher Film keine sogenannte Feiertagsfreigabe erhält. «Die Regelungen in den Landesgesetzen gehen zurück auf Bestimmungen aus der Weimarer Republik, stammen also aus einer Zeit, als Filme ausschließlich im Kino gesehen werden konnten», teilte die FSK mit.
Dennoch habe sich seitdem sehr viel geändert – an den Filmen und an den Vorgaben. Während in den 50er, 60er und 70er-Jahren über die Hälfte aller Kinospielfilme als «nicht feiertagsfrei» eingestuft wurden, sei der Prozentsatz kontinuierlich auf ein Drittel in den 80er-Jahren und nur noch 3,8 Prozent in den 90er-Jahren gesunken. Ab 2000 lag der Anteil der Kinospielfilme ohne Feiertagsfreigabe demnach bei einem Prozent und darunter.
«Im Jahr 2024 gab es bislang keinen Kinofilm ohne Feiertagsfreigabe», teilte die FSK mit. 2023 habe von 643 geprüften Filmen nur einer («Evil Dead Rise») keine Feiertagsfreigabe bekommen. Prominente Beispiele für Filme, die keine Freigabe bekamen, sind demnach «Das Leben des Brian» (1980) und «Die Ritter der Kokosnuss» (1976).
Respektvoll oder nicht mehr zeitgemäß?
In der Summe gilt: Es gibt viele Karfreitags-Regeln und vor allem je nach Bundesland verschiedene. Sind so viele komplizierte und ungleiche Regelungen noch zeitgemäß, gerade angesichts weiter sinkender Mitgliedszahlen in der Kirche?
Für die Berliner Innensenatsverwaltung offenbar schon: Die Regeln entsprächen einer grundsätzlich christlichen Prägung, heißt es. Zudem würden die Interessen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen durch die zeitliche Beschränkung der Verbote sowie die Möglichkeit zu Ausnahmen berücksichtigt.
Das Innenministerium im stark christlich geprägten Bayern, in dem das Kruzifix in öffentlichen Gebäuden Pflicht ist, unterstreicht die Relevanz der Regeln. «Der Sonn- und Feiertagsschutz ist für die Bayerische Staatsregierung ein ganz wichtiges Anliegen», teilte das Ministerium mit. Die Beschränkungen an den stillen Tagen seien verhältnismäßig.
Der Diskothekenverband sieht das anders. Er hält die ihn betreffenden Regeln «für nicht mehr zeitgemäß und ungerecht». Und auch die FSK hält Filmverbote für aus der Zeit gefallen: «Aus heutiger Sicht ist die gesetzliche Beschränkung an stillen Feiertagen für Filme im Kino kaum noch nachvollziehbar.»
Bleib immer bestens informiert!
Mit unserem kostenlosen 95.5 Charivari-Newsletter verpasst du keine Highlights mehr. Von Top-Konzerten über exklusive Gewinnspiele bis hin zu Einblicken in Larissa Lannert live - wir liefern dir wöchentlich alles Wichtige direkt in dein Postfach.
Mehr Beiträge und Themen
Das Foto unter dem Gipfelkreuz - das ist heutzutage selbstverständlich. Doch ist es auch für jeden ratsam? Auf der Zugspitze gibt es nun eine Alternative.
Entdecke die Volksfeste in und um München 2025! Infos zu den Veranstaltungen. Ein unvergessliches Erlebnis für die ganze Familie.
Paketpreise steigen, Renten wachsen und Fristen enden - im Juli 2025 gibt es einige Änderungen. Hier erhältst du alle wichtigen Infos, damit du im Juli nichts verpasst.
Das Münchner Frühlingsfest feiert 2026 sein 60. Jubiläum. Aus diesem Grund wird es eine Woche länger gehen, wie die Stadt beschlossen hat.
Ab 2027 bietet das Startup NOX neue Nachtzüge mit eigenen Räumen und Betten an - auch ab München! Was verspricht die Flugzeugalternative?
Unfall auf der A8 zwischen Odelzhausen und Friedberg: 9 km Stau, 2,5 Stunden Zeitverlust. Sperrungen in beide Richtungen bis ca. 12 Uhr.
Entdecke, wie du dich an heißen Sommertagen in München optimal abkühlen kannst! Mit diesen einfachen Tipps und Tricks genießt du die Hitze, während du gut hydriert und geschützt bleibst.
Alfons Schuhbeck verlor sein Gastro-Imperium und landete im Gefängnis. Jetzt startet ein neuer Prozess gegen ihn.
Warum ist eine junge Surferin an der Eisbachwelle verunglückt? Das lässt sich wohl nicht mehr klären. Rund zwei Monate nach dem Unfall und dem Tod der Frau äußert sich die Staatsanwaltschaft.
Wels-Alarm am Badesee! Nach dem Vorfall am Brombachsee fragen sich viele: Wie gefährlich sind Welse wirklich? In Bayerns Seen schwimmen mehr Fische, als man denkt – von harmlosen Karpfen bis zum riesigen Wels. Wir erklären, was bei einer Begegnung mit dem Wels & Co. zu tun ist, wie man sich richtig verhält und warum Panik meist völlig unnötig ist.
DESK
Der Sommer ist in Deutschland voll angekommen. Die meisten kühlen sich bei hohen Temperaturen am See oder im Freibad ab. Doch wie kühlen sich Arbeitnehmer im Büro bei so hohen Temperaturen ab?
Heiß, heißer, noch heißer: Die Temperaturen steigen im Freistaat durch subtropische, feuchte Luft in den nächsten Tagen weiter. Wie kann man sich dafür am besten rüsten?
Entdecke das 44-Stunden-Ticket Young für alle unter 27! Flexibel und quasi unbegrenzt mit dem ICE reisen von Freitag bis Sonntag im Juli.
Aufsatteln und losradeln! Im Juli zeigt das Mobilitätsreferat bei drei kostenlosen Radtouren die spannendsten Seiten Münchens – vom Altstadtring bis Neuperlach. Jetzt anmelden!
Gut zwei Monate nach dem tragischen Unfall an der Eisbachwelle gibt die Stadt München den beliebten Surfspot ab sofort wieder zum Surfen frei.
Um 1,08 Euro Anfang 2026 und noch einmal um 70 Cent im Jahr darauf: So stark soll es mit der Lohnuntergrenze in Deutschland nach oben gehen. Nicht alle sind damit zufrieden.
Auch Hunde brauchen eine Abkühlung. Doch nicht in jedem See sind Hunde erlaubt. Wir haben eine Liste mit allen tierfreundlichen Badeseen in und um München zusammengestellt.