Affenpocken in Deutschland
Wie gefährlich sind Affenpocken wirklich? Alle wichtigen Fragen und Antworten
Stand 23.05.22 - 13:44 Uhr
0
Die Pocken zählten zu den gefährlichsten Krankheiten für Menschen. Vakzine brachten die Rettung. Ein verwandter, aber harmloserer Erreger sorgt nun für eine ungewöhnliche Infektionshäufung. Was bedeutet das?

Die Handflächen eines Affenpockenpatienten zeigen einen Ausschlag.
Das musst du alles zu Affenpocken wissen
Zunächst war es ein wohl aus Nigeria eingeschleppter Fall in Großbritannien, inzwischen werden aus immer mehr Ländern Nachweise und Verdachtsfälle von Affenpocken gemeldet.
- Anzeige -
Das Ausmaß überrascht und lässt Experten aufmerken. Was ist das für ein Erreger und wie besorgniserregend ist der Ausbruch? Fragen und Antworten:
Wie ist die aktuelle Situation in westlichen Ländern?
Offenbar hat sich der Erreger bereits längere Zeit unbemerkt in mehreren westlichen Ländern ausgebreitet. Die WHO berichtet mit Stand Samstag von rund 90 bestätigten Infektionen und 30 Verdachtsfällen in Ländern, in denen das in West- und Zentralafrika heimische Virus normalerweise nicht auftritt. In Europa sind unter anderem Spanien, Portugal, Großbritannien, Italien, Schweden und die Schweiz betroffen. In Deutschland wurde am vergangenen Freitag ein erster Fall in München nachgewiesen – der erste Nachweis einer Affenpockeninfektion in Deutschland überhaupt. Am Samstag bestätigten Behörden dann zwei Infektionen in Berlin. Auch in Australien, Kanada und den USA gab es bereits Nachweise der Erkrankung. Experten rechnen mit einer weiteren Zunahme der Fälle.
Was sind die Affenpocken?
Affenpocken sind eine auf ein Virus zurückgehende Erkrankung. Der Erreger wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewiesen – daher der Name Affenpocken. Fachleute vermuten allerdings, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. Das Affenpockenvirus ist auch auf den Menschen übertragbar.
Großen Schrecken verbreitete früher die Pockenkrankheit, verursacht von einem Virus aus der gleichen Gruppe. An der Infektion starb ein großer Teil der Betroffenen. Die Pockenkrankheit gilt nach Impfkampagnen seit 1980 als ausgerottet. Der letzte Fall in Deutschland wurde 1972 erfasst.
[MD_Portal_Script ScriptID="11188926" location="leftALone"] - Anzeige -Was sind die Symptome von Affenpocken?
Zu den Symptomen zählen: plötzlich einsetzendes Fieber, starke Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Halsschmerzen, Husten, häufig auch Lymphknotenschwellungen. Typisch ist zudem ein vom Gesicht auf den Körper übergreifender, pockentypischer Ausschlag. Selten treten Erblindung und entstellende Narben als Dauerschäden auf.
Wie gefährlich sind die Affenpocken?
Die kursierende Variante des Affenpocken-Virus ruft nach Angaben von Gesundheitsbehörden meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Es sind zwei Varianten des Erregers bekannt: Die mildere, westafrikanische Variante führt nach Angaben von Clemens Wendtner Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing zu einer Sterblichkeit von etwa einem Prozent, vor allem Kinder unter 16 Jahren. «Man muss aber bedenken, dass diese Daten aus Afrika nicht zwingend übertragbar auf das Gesundheitswesen in Europa oder den USA sind, bei uns wäre die Sterblichkeit eher niedriger anzusetzen. Das ist eine Erkrankung, die meines Erachtens nicht das Potenzial hat, die Bevölkerung massiv zu gefährden.» Die Sterblichkeit für die zweite, zentralafrikanische Variante wird mit etwa zehn Prozent angegeben.
Bei allen bisher genetisch analysierten Proben handelte es sich um die westafrikanische Erreger-Variante, auch bei dem Patient in München. Alle Altersgruppen und Geschlechter gelten dem RKI zufolge als gleichermaßen empfänglich.
Wo kursieren Affenpocken üblicherweise?
Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafrikas bekannt. Der erste Fall einer Affenpocken-Infektion beim Menschen sei 1970 in der Demokratischen Republik Kongo registriert worden, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachmagazin «Plos Neglected Tropical Diseases». Danach habe sich das Virus in andere Länder Afrikas ausgebreitet, 2003 sei es erstmals außerhalb des Kontinents nachgewiesen worden.
- Anzeige -
Im westafrikanischen Nigeria wurden in diesem Jahr nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde zwischen Januar und Ende April 15 Fälle von Affenpocken erfasst. In Nigeria, Kamerun und der Demokratischen Republik Kongo kam es laut WHO in den vergangenen fünf Jahren immer wieder zu Ausbrüchen.
Über das Infektionsgeschehen in der Tierwelt ist kaum etwas bekannt. Größere Ausbrüche in Afrika bei Tieren seien schlecht dokumentiert, deshalb habe man da keine Übersicht, sagt Elke Reinking, Pressesprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI).
Ist der aktuelle Ausbruch bei Menschen außerhalb Afrikas ungewöhnlich?
Ja, da sind sich die Experten einig. «In der Vergangenheit waren die Affenpocken-Ausbrüche begrenzt in der Ausbreitung», sagt der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg der Deutschen Presse-Agentur. Infektionsketten zwischen Menschen seien ungewöhnlich und müssten eng überwacht werden.
Die kürzlich nachgewiesenen Infektionen seien unter anderem deshalb atypisch, weil die meisten Betroffenen nicht nach West- oder Zentralafrika gereist seien, heißt es auch in einem Freitag veröffentlichten Statement von Hans Kluge, Regionaldirektor für Europa bei der WHO. Auffällig sei auch, dass die meisten zunächst entdeckten Infektionen bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten nachgewiesen wurden.
Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffenen auf. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
Insgesamt gewännen die Affenpocken allmählich an globaler Bedeutung, so die Forscher. Ob das Virus die Nische besetzt, die durch die Ausrottung der Pockenkrankheit freigeworden ist, sei momentan noch nicht abschätzbar, erklärte der Marburger Virologe Becker.
Wie wird das Virus übertragen?
Bei den aktuell erfassten Fällen sind in der Mehrheit, wenn auch nicht ausschließlich, Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten. Das Virus scheine sich derzeit vor allem zwischen homo- oder bisexuellen Männern auszubreiten, sagte Becker. Intimkontakt ist aber nur eine Möglichkeit der Übertragung – es ist womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkreis getragen wurde und dann vor allem bei Schwulen weiter kursierte.
Dem RKI zufolge geschieht eine Übertragung auf den Menschen allgemein häufig durch Kontakt mit infizierten Tieren oder tierischem Blut und Sekreten, über das Essen infizierten Affenfleischs sowie Tröpfcheninfektion. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch sei grundsätzlich selten und nur bei engem Kontakt möglich, könne aber etwa auch durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Schorf Infizierter vorkommen.
- Anzeige -
Bei der aktuellen Infektionshäufung sind die detaillierten Infektionsketten noch weitgehend unklar. Aktuell scheine die Übertragung bei Affenpocken dabei aber zumindest nicht durch Aerosole zu erfolgen, schätzt der Marburger Virologe Becker. «Dann wäre das Ausbreitungsmuster anders.»
Wie wird eine Infektion nachgewiesen?
Der Nachweis erfolgt wie beim Coronavirus und anderen Erregern mit einer Probe des Betroffenen über einen sogenannten PCR-Test. Sind Affenpocken-Viren enthalten, wird gezielt deren Erbgut in einem speziellen Gerät vermehrt und kann danach leicht nachgewiesen werden.
Gab es schon einmal Ausbrüche von Affenpocken?
Außerhalb von Afrika wurden Affenpocken-Infektionen beim Menschen bisher überhaupt erst wenige Male nachgewiesen. Die Häufigkeit scheint allerdings zuzunehmen. Im Jahr 2021 gab es der WHO-Statistik zufolge fünf erfasste Infektionen im Vereinigten Königreich und in den USA. Dreimal waren Menschen betroffen, die sich in Nigeria aufgehalten hatten, bei einem dieser Patienten steckten sich in Großbritannien zwei Familienmitglieder an.
Mit welchen anderen Infektionskrankheiten können die Affenpocken verwechselt werden?
Nach Angaben der britischen Behörde UKHSA kann der Ausschlag in bestimmten Phasen der Erkrankung Windpocken oder Syphilis ähneln. Das RKI sensibilisierte Ärzte in Deutschland: Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien. Männer, die Sex mit Männern haben, sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen «unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen».
Gibt es eine schützende Impfung?
In der EU gibt es keine speziell gegen Affenpocken zugelassene Impfung. Historischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpfung gut vor Affenpocken – und das wohl lebenslang. Ältere Menschen, die die Impfung noch bekommen haben, dürften also auch vor den Affenpocken geschützt sein. Experten diskutieren momentan die Möglichkeit, zumindest Kontaktpersonen von Affenpocken-Infizierten mit einer Impfung zu schützen. Der Virologe Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München sagte «Zeit Online»: «Von dem klassischen Pockenvirenimpfstoff, einem Lebendimpfstoff, haben wir in Deutschland so viel Vorrat, dass man die ganze Bevölkerung impfen könnte.» Seit 2013 ist in der EU der Impfstoff Imvanex gegen die Pocken zugelassen. Eine Zulassung zur Vorbeugung von Affenpocken hat er in der EU nicht. Die WHO weist darauf hin, dass dieser Impfstoff nicht flächendeckend verfügbar sei. Man wolle Experten einberufen, um mögliche Impfempfehlungen zu erörtern.
Wie wird die Infektion behandelt?
Behandelt werden in der Regel die Symptome sowie mögliche bakterielle Sekundärinfektionen. Mit dem Medikament Tecovirimat gibt es zudem eine in der EU zugelassene Therapiemöglichkeit für die Affenpocken-Erkrankung.
Bleib immer bestens informiert!
Mit unserem kostenlosen 95.5 Charivari-Newsletter verpasst du keine Highlights mehr. Von Top-Konzerten über exklusive Gewinnspiele bis hin zu Einblicken in Larissa Lannert live - wir liefern dir wöchentlich alles Wichtige direkt in dein Postfach.
Mehr Beiträge und Themen
Im Olympia Einkaufszentrum kam es zu einem größeren Einsatz der Polizei - es handelte sich aber um einen Fehlalarm!
Milliarden locker machen für Verteidigung und Infrastruktur mit Stimmen der Grünen? Das könnte nach langen Gesprächen nun klappen.
Bei Railjet gibt's ab April eine neue Verbindung. In neuneinhalb Stunden kommst du von München, ohne umsteigen, nach Italien an die Adria.
Es ist Bärlauch-Saison! Das Kraut ist vielseitig verwertbar und jeder kann es selbst ernten! Was du dabei beachten solltest, erfährst du hier!
Joshua Kimmich bleibt dem FC Bayern länger erhalten - beide Parteien haben sich auf eine Vertragsverlängerung geeinigt.
Ein Anbieter für Trainingslager soll mehrere Fußballvereine abgezockt haben - darunter auch zwei Teams in München. Sie wurden um mehrere tausend Euro gebracht.
"Das Kinderzimmer" ist ein Indoorspielplatz, das Paradies für Kleinkinder. Bald eröffnet ein dritter Standort in München.
In München gibt es Nachttaxi-Gutscheine für Frauen. Die Aktion für Münchnerinnen wird vorerst gestoppt - die Nachfrage war plötzlich zu hoch.
Eigentlich sollten Igel noch im Winterschlaf sein - doch durch die milden Temperaturen sind sie schon wieder wach. Wie Ihr ihnen helfen könnt.
Großstreiktag in München: Verdi legt am 13. März den öffentlichen Dienst lahm. Kitas, Kliniken und Müllabfuhr betroffen – alle Infos zu den Einschränkungen hier!
DESK
Die Entscheidung hat historische Dimensionen: Union, SPD und Grüne wollen die Schuldenbremse lockern für Verteidigung und Infrastruktur - der Bundestag stimmte letztendlich dafür.
Gewerkschaften und Arbeitgeber haben nicht zueinander gefunden: In den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst übernehmen nun die Schlichter. Weitere Warnstreiks gibt es erst einmal nicht.
Diese Aktivitäten solltest du ausprobieren, um deine Stadt auch von einer anderen Seite kennenzulernen. Wahre Insidertipps für einen freien Nachmittag oder fürs Wochenende!
Unfall im Petueltunnel: LKW kracht am Montagmorgen in Leitplanke – Tunnel Richtung Osten war gesperrt, mittlerweile wieder frei. Alle aktuellen Infos hier!
Wir haben eine Liste mit geöffneten Biergärten für dich gemacht - damit du weißt, wo du ab jetzt an schönen Frühlingstagen hin kannst.
Von den großen Wiesn Festzelten nehmen das Schottenhamel Festzelt, das Schützenfestzelt, das Armbrustschützenzelt, die Ochsenbraterei und das Kuffler Weinzelt ab sofort Tischreservierungen für die Wiesn 2025 an.
Großübung der Polizei in Heimstetten: Vom 17. bis 20. März trainieren Einsatzkräfte mit Platzpatronen und Schutzausrüstung. Keine Gefahr für Anwohner – alle Infos hier!